Leichte 4000er im Wallis

Tourenbericht DAV Führungstour 2022

Am 19. Juli 2022 war es endlich soweit. Die vier glücklichen Teilnehmer der früh ausgebuchten Führungstour „Leichte 4000er im Wallis“ trafen sich auf der Täschalp über dem Mattertal, um in den kommenden fünf Hochtourentagen die drei leichten 4000er Alphubel, Strahlhorn und Allalinhorn zu besteigen.

Der erste Tourentag gestaltete sich denkbar einfach, da es nunmehr galt den etwas über einstündigen Zustieg zur Täschhütte hinter sich zu bringen. Dort angekommen bezogen wird unsere Zimmer und nahmen ein wohlschmeckendes Abendessen zu uns. Da fast alle Teilnehmer bereits in den Tagen zuvor einige Touren unternommen hatten, war ein erster Schritt zur nötigen Akklimatisierung bereits erfolgt. Dieser Umstand war nicht ganz unwichtig, stand uns am zweiten Tag mit der Besteigung des Alphubels und einer Traverserierung zur Britanniahütte, hoch oben über dem Saastal, eine zwar technisch leichte, jedoch konditionell fordernde Tour bevor.

Als wir am nächsten Tag mitten in der Nacht aufstanden und nach einem kurzen Frühstück vor die Hütte traten, stellten wir – wie bereis erwartet – fest, dass es viel zu warm war und somit voraussichtlich schlechte Bedingungen am Berg herrschen würden. Es war kaum mehr nötig über dem Tourenshirt eine Isolationsschicht zu tragen. Die Medienberichte aus dem Rekordsommer 2022 dürften noch gut in Erinnerung sein. Trotz alledem versuchten wir unser Glück und konnten nach etwa 6 Stunden und einiger Spurarbeit aufgrund der auch in höheren Lagen nur schlecht tragenden Schneedecke den höchsten Punkt des Alphubels auf 4206 Metern erreichen. Das Gipfelkreuz ragte etwa drei Meter aus dem Schnee heraus und zeugte nochmals von den außergewöhnlich warmen Temperaturen.

Nach einer kurzen Rast querten wir im Abstieg das Alphubeljoch und erreichten relativ einfach den Feechopf. Hierbei handelt es sich um eine kleine Felserhebung auf 3.888 Metern Höhe inmitten einer weitläufigen Gletscherlandschaft. Hier begann die einzige technische Passage der Tour in Form eines Felsgrates, der zum Feejoch und weiter in Richtung Allalinhorn abgestiegen bzw. gequert werden musste. Einige Stellen des Grates sind mit dem zweiten Schwierigkeitsgrad bewertet. Da es sich um eine Führungstour handelte, wurden die schwierigsten Stellen gesichert, was bei unserer Gruppengröße – trotz sauberer Führungstechnik – natürlich einige Zeit in Anspruch nahm.

Nach Überwindung des Grates stießen wir auf den Normalanstieg auf das Allalinhorn und folgten diesem hinab zur Station Mittelallalin. Auf dem Weg dorthin mussten wir einige sehr große und ungewöhnlich heikle Gletscherspalten im Abstieg überqueren. Bei einer etwa 1m hohen, 50cm breiten und ca. 3m langen Schneebrücke war ich selbst überrascht, dass sie allen Teilnehmern standhielt. Bei kleineren Seilschaften wäre hier in jedem Fall eine Sicherung mit T-Anker nötig gewesen.

Schließlich erreichten wir gerade rechtzeitig die Station und konnten die letzt Metro-Alpin-Bahn zum Felskinn nehmen. Dort machten wir, mittlerweile sichtlich müde, eine kurze Rast, bevor wir uns auf den Weg zur Brittaniahütte über Saas-Fee machten. Letztlich erreichten wir nach fast 14,5 Stunden müde die Hütte.


Da für die Woche gutes Wetter vorausgesagt war, nutzten wir am nächsten Tag direkt unseren Reservetag, um neue Kräfte zu tanken und uns auf die nächste Tour aufs Strahlhorn vorzubereiten. Wie sich nach einem Gespräch mit dem netten Hüttenwirt herausstellte, hat das Klima der letzten Jahre zu einer dynamischen Veränderung der Landschaft geführt. Einst sichere Wege können Aufgrund von Gefahren wie Steinschlag oder plötzlich zutage getretenen Hindernissen nicht mehr begangen werden. Um für unsere Gruppe den besten Weg für den nächsten Tag auszukundschaften, startete ich mittags mit zwei Teilnehmern hinab zum Hohlaubgletscher. Tatsächlich gelang es uns, auch dank der guten Beschreibung des Hüttenwirts, den neuen Zustieg vom Hohlaub- auf den Allalingletscher zu finden und uns für den nächsten Tag einzuprägen. Nach dreieinhalb Stunden waren wir wieder auf der Hütte. 


Am nächsten Morgen starteten wir voller Vorfreude in der Früh zur Tour. Leider kamen wir nur bis auf den Hohlaubgletscher. Bereits kurz nach dem Betreten des aperen Gletschers riß das aus Dyneema gefertigte Verbindungsstück meiner beiden neuen Leichtsteigeisen innerhalb von nur etwa 5 Minuten auf beiden Seiten. Der Tourentag war damit abrupt beendet, noch bevor er überhaupt richtig begonnen hatte. Wir schafften es in der Dunkelheit den Gletscher auch ohne Steigeisen wieder zu verlassen und zur Hütte zurückzukehren. Der zweite, ungeplante Ruhetag wurde durch die Teilnehmer klaglos angenommen, auch wenn allen bereits zu diesem Zeitpunkt klar war, das ein Tag ungenutzt verstrich und nicht mehr alle drei Gipfel erreicht werden konnten. Währenddessen organisierte ich mir mit der Hilfe von Dritten in Saas-Fee neue und robustere Steigeisen.


Um es direkt vorweg zu nehmen. Auch der folgende, letzte volle Tourentag stand unter keinem guten Stern. Mitten in der Nacht wachte ich mit starkem Halsweh, Gliederschmerzen und Schüttelfrost auf. Ich wusste sofort… das kann während der auslaufenden Pandemie auf einer Berghütte nur eines bedeuten. Ich hatte mich zum allerersten Mal mit Corona infiziert. Letztlich musste ich auf meinen Körper hören. In diesem Zustand wäre auch ein halber Tourentag ohne Gipfelbesteigung zurück auf die Seite des Mattertals eine Tortur und gegebenenfalls dauerhaft gesundheitsschädlich gewesen. Schweren Herzens stiegen bzw. fuhren wir nach Saas-Fee ab und kehrten mit öffentlichen Verkehrsmitteln zur Täschalp zurück. Ein Corona-Test bestätigte dort den ersten Verdacht. Die Führungstour war damit einen Tag früher als geplant beendet.


Den Teilnehmern gilt an dieser Stelle mein besonderer Dank. Trotz der Rückschläge herrschte eine durchweg gute Stimmung, es wurde stets als Team agiert. Wie sich im Nachgang herausstelle, waren die neuen Leichtsteigeisen eines namhaften Herstellers nicht sauber entgratet worden. Dies führte bereits nach kurzer Verwendung, auch ohne den Kontakt mit Fels, zu einem Riß der aus Dyneema gefertigten Verbindung. Nicht auszudenken, was das weiter draußen oder in technisch schwierigerem Gelände bedeuten würde. Seither betrachte ich die neuesten Entwicklungen im Bergsportbereich unter dem Motto: „leichter, schneller, höher“ mit gemischten Gefühlen. Der kostenlose Austausch der Steigeisen war letztlich ein schwacher Trost.


Paul Menstell